Gedenken an die Opfer des Amoklaufs in Erfurt – 20. Jahrestag einer bis heute unbegreiflichen Tat

Gedenken an die Opfer des Amoklaufs in Erfurt – 20. Jahrestag einer bis heute unbegreiflichen Tat
Der Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium wirkt bis heute nach - Fotomontage: BD

Am 26. April 2002 tötete ein ehemaliger Schüler des Gymnasiums 16 Menschen und richtete sich anschließend selbst

ERFURT | bd | Heute vor genau 20 Jahren verlebten die Schülerinnen und Schüler sowie die Bediensteten des Erfurter Gutenberg-Gymnasiums ihren vorerst letzten, unbeschwerten Abend. Zu diesem Zeitpunkt ahnte niemand von ihnen, dass sich am kommenden Vormittag für sie die Welt auf schreckliche Art und Weise verändern würde. Wie die späteren Ermittlungen ergaben, sollte der von langer Hand geplante Amoklauf eines ehemaligen Schülers des Gymnasiums nur rund 20 Minuten andauern. Diese kurze Zeitspanne hatte demnach ausgereicht, ein Verbrechen zu verüben, das in die Geschichte der Republik Einzug hielt. Die wenigen, aber entscheidenden Minuten dieses unvergessenen Schultages hatten dem 19-jährigen Amokläufer ausgereicht, 11 Lehrer, eine Referendarin, eine Sekretärin, zwei Schüler, einen Polizisten und schließlich sich selbst zu töten.

Diese grauenvolle Bluttat hat an jenem Freitag nicht nur die Menschen in Erfurt und im besonderen Maße die Betroffenen am Gutenberg-Gymnasium erschüttert, sondern die gesamte Nation dauerhaft verändert. Die Nachwirkungen und die aus der Tat gezogenen Konsequenzen sind bis heute in allen Bundesländern spürbar. Das Gymnasium blieb nach den Geschehnissen zunächst mehr als drei Jahre geschlossen und nahm seinen Betrieb erst am 29. August 2005 wieder auf. Eine Woche nach der Tat hatten sich rund 100.000 Menschen an einer Gedenkfeier für die Opfer dieses Verbrechens am Erfurter Domplatz zusammengefunden.

Täter hatte sich mit gefälschten Dokumenten eine Waffenbesitzkarte zum Kauf der Tatwaffen beschafft

Der Täter, Mitglied in einem Schützenverein, war wenige Monate zuvor der Schule verwiesen worden und hatte sich lange vor Ausübung der Tat durch Beibringung gefälschter Unterlagen eine Waffenbesitzkarte beschafft. Mit dieser erwarb er Schusswaffen und die für seine Tat erforderliche Munition. In den Vormittagsstunden des 26. April 2002 setzte er dann seinen von langer Hand vorbereiteten Plan in die Realität um. In der Folge des Amoklaufs wurden bei rund 700 Schülerinnen und Schülern schwere, posttraumatische Belastungsstörungen diagnostiziert, die teilweise über Jahre hinweg eine psychologisch/medizinische Betreuung und Begleitung erforderlich machten.

Besonders in die Kritik geriet nach der Tat das Vorgehen der Polizei, die (so sah es das damalige Polizeigesetz vor) zunächst auf das Eintreffen eines angeforderten Spezialeinsatzkommandos wartete und ihre Maßnahmen darauf beschränkte, das Schulgebäude von außen abzusperren. Hinzu kamen offenbar Kommunikationsschwierigkeiten aufgrund ungenügendem, technischen Gerät, das den Beamten vor Ort zur Verfügung stand. Den Rettungsdiensten wurde im Nachgang der Geschehnisse „unprofessionelles“ Vorgehen bescheinigt.

In Deutschland wurden die Landespolizeigesetze und das Waffengesetz reformiert

Die Erkenntnisse aus den umfangreichen Recherchen und Untersuchungen nach der Tatbegehung führten in allen Bundesländern zu einer Reform der Landespolizeigesetze. In ganz Deutschland wurde die Aus- und Fortbildung von Polizeibeamten sowie die Ausstattung dahingehend verändert, dass heute jede Polizistin und jeder Polizist selbst unmittelbar gegen Amoktäter vorgehen kann, ohne auf die Spezialeinheiten warten zu müssen.

Auch das Waffengesetz wurde nach der Tat novelliert. Das Mindestalter für Sportschützen zum Erwerb einer großkalibrigen Waffe mit Ausnahme von Flinten, wie sie für Wurfscheibendisziplinen benutzt werden, wurde auf 21 Jahre angehoben und den Sportschützen unter 25 Jahren eine medizinisch-psychologische Untersuchung zur Auflage gemacht. Vorderschaftrepetierflinten (sog. Pumpguns), die nur über einen sog. Pistolengriff, nicht jedoch über einen Hinterschaft verfügen, wurden insgesamt verboten. Des Weiteren wurden die Aufbewahrungspflichten für Schusswaffen und Munition erheblich verschärft.